Psychiatrie und Ausbildung: Voraussetzungen, Herausforderungen, Perspektiven
Die Welt ist in den letzten Jahren für viele komplexer und herausfordernder geworden. Kein Wunder also, dass auch psychische Probleme und Erkrankungen auf dem Vormarsch sind. Zur effektiven Behandlung von betroffenen Menschen sind engagierte Fachleute unerlässlich. Gehören Sie zu den Personen, die in der Schweiz im Bereich Psychiatrie eine Ausbildung anstreben? Dann finden Sie hier die wichtigsten Voraussetzungen, Herausforderungen und Perspektiven kompakt zusammengefasst.
Die Themen im Überblick:
Wer in der Psychiatrie arbeiten möchten, erwartet nicht nur sein sehr spannendes und sinnstiftendes Arbeitsfeld, sondern auch ein herausforderndes.
Voraussetzungen für eine Ausbildung in der Psychiatrie
Tätigkeiten in der Psychiatrie können sehr vielfältig und verschiedenartig sein. Dementsprechend schwer ist es, allgemeingültige Voraussetzungen zu definieren. Allerdings gibt es einerseits Fähigkeiten und Charaktermerkmale, die in vielen Bereichen von Vorteil oder sogar notwendig sind. Andererseits existieren bestimmte fachliche Voraussetzungen. Diese unterscheiden sich allerdings je nach angestrebtem Beruf.
Fähigkeiten und Charaktermerkmale
- Belastbarkeit: Die Arbeit in der Psychiatrie kann emotional fordernd sein, da Fachpersonen regelmässig mit Menschen in akuten Krisen und herausfordernden Situationen konfrontiert sind. Eine hohe psychische und physische Belastbarkeit hilft hier, professionell zu bleiben und langfristig in diesem Berufsfeld tätig zu sein.
- Beobachtungsgabe: Psychische Erkrankungen äussern sich oft subtil und individuell. Eine ausgeprägte Beobachtungsgabe ermöglicht eine gezielte sowie bedarfsgerechte Unterstützung und trägt zu einer besseren Behandlungsqualität bei.
- Empathie: Menschen mit psychischen Erkrankungen benötigen Verständnis und eine wertfreie, unterstützende Begleitung. Einfühlungsvermögen hilft, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, Vertrauen aufzubauen und fördert eine positive therapeutische Beziehung.
- Geduld: Heilungsprozesse in der Psychiatrie verlaufen oft langsam und in kleinen Schritten, wobei auch Rückschläge nicht ausgeschlossen sind. Fachkräfte müssen deshalb bereit sein, sich über längere Zeiträume zu engagieren – und selbst dann, wenn Fortschritte nicht sofort sichtbar sind.
- Kommunikationsfähigkeit: Nicht nur mit Patientinnen und Patienten, sondern auch gegenüber Angehörigen und Teammitgliedern ist eine klare, aber dennoch einfühlsame Kommunikation wichtig. Eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit hilft dabei, Konflikte zu vermeiden, Verständnis sowie Wertschätzung zu signalisieren und kann so den Therapieerfolg erhöhen.
- Verantwortungsbewusstsein: Entscheidungen und Aktionen in der Psychiatrie beeinflussen direkt das Wohl von Menschen. Deswegen sind persönliche Zuverlässigkeit und sorgfältiges Handeln essenziell, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten.
Fachliche Voraussetzungen und Qualifikationen
In der Psychiatrie gibt es inzwischen zahlreiche fachliche Voraussetzungen und Qualifikationen, die Interessierte im Rahmen einer Ausbildung erlangen können. Zu den wichtigsten gehören:
- Fachfrau/Fachmann Gesundheit EFZ (FaGe): Hierbei handelt es sich um einen Ausbildungsberuf, den Interessenten ab einem Alter von 16 Jahren nach der obligatorischen Schulzeit ergreifen können. Im Zentrum der dreijährigen Lehre steht für angehende Fachleute im Bereich Gesundheit (FaGe) die Begleitung, Betreuung und Pflege von Hilfsbedürftigen. Zwar handelt es sich hierbei nicht zwingend um eine Ausbildung im psychiatrischen Bereich. Allerdings ist vor allem die psychiatrische Pflege ein wichtiges Einsatzgebiet. So bieten etwa psychiatrische Dienste und Kliniken für FaGe in der Psychiatrie Lehrstellen mit einem entsprechenden Schwerpunkt an.
- Diplomierte(r) Pflegefachfrau/Pflegefachmann HF (mit Schwerpunkt Psychiatrie): Diese Ausbildung findet an Pflegeeinrichtungen und einer Höheren Fachschule (HF) statt. Sie dauert im Vollzeitstudium bis zu drei Jahre und richtet sich vor allem an Personen mit abgeschlossener FaGe-Ausbildung oder einer gleichwertigen Vorbildung. Das Studium vermittelt vertiefte Kenntnisse in der Pflege, wobei eine Spezialisierung auch im Bereich der psychiatrischen Pflege möglich ist. Absolventinnen und Absolventen sind befähigt, in verschiedenen Einrichtungen verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen. So können Sie etwa als Psychiatriepflegerin bzw. Psychiatriepfleger mit dieser Ausbildung in einer Klinik arbeiten. Umgangssprachlich ist oft auch von Krankenpflegern bzw. Krankenschwestern für Psychiatrie die Rede.
- Assistenzärztin/Assistenzarzt Psychiatrie und Psychotherapie: Nach Abschluss des Medizinstudiums haben Ärztinnen und Ärzte die Gelegenheit, sich auf unterschiedliche Fachbereiche zu fokussieren. Zu diesen zählt auch das Segment Psychiatrie und Psychotherapie. Weil als Assistenzärztin oder Assistenzarzt in der Psychiatrie die Ausbildung mindestens fünf Jahre dauert, handelt es sich bei dieser Spezialisierung um eine wichtige Entscheidung. Die Fachausbildung umfasst sowohl theoretische Schulungen als auch klinische Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen der Psychiatrie. Am Ende steht der Titel Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
Herausforderungen im Rahmen der psychiatrischen Ausbildung und Tätigkeit
Die wichtigsten Herausforderungen auf einen Blick
Wer eine psychiatrische Ausbildung bzw. einen Beruf in diesem Bereich anstrebt, ist oft mit spezifischen Problemen konfrontiert. Dabei gilt es vor allem, folgende Herausforderungen im Zusammenhang mit Ausbildung und Psychiatrie sowie Pflege zu meistern:
- Emotionale Belastungen: Die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen kann emotional stark beanspruchend sein. Fachkräfte sind in diesem Bereich oft mit Leid und Traumata konfrontiert. Ohne ausreichende Selbstfürsorge besteht das Risiko von Burnout und sekundärer Traumatisierung.
- Interdisziplinäre Kooperation: Für eine erfolgreiche Therapie von psychischen Erkrankungen und eine ganzheitliche Versorgung von Betroffenen ist häufig die Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen erforderlich. Neben der Psychologie können etwa Fachleute aus der (Allgemein-)Medizin und der Sozialarbeit beteiligt sind. Verschiedene Perspektiven und Fachsprachen sind hierbei typische Hemmnisse.
- Komplexe Krankheitsbilder: Psychiatrische Fachkräfte betreuen Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen sowie oft komplexen psychischen Erkrankungen. Dabei sind häufig individuelle Herangehensweisen zielführend. Das erfordert nicht nur eine hohe fachliche Kompetenz, sondern auch viel Flexibilität sowie massgeschneiderte Behandlungspläne.
Die Herausforderungen im Rahmen der psychiatrischen Ausbildung und Tätigkeit sind hoch.
Psychiatrie und Ausbildung: Perspektiven
Bezüglich der Perspektiven einer Ausbildung in der Psychiatrie ist es hilfreich, zwischen den Aspekten Arbeitsmarkt, Weiterbildung und zukünftige Entwicklungen zu differenzieren.
Arbeitsmarkt
Die mentale Gesundheit hat in der Schweiz in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert erlangt. Bereits jetzt gilt die Versorgung mit psychiatrischen Fachkräften im Vergleich mit anderen OECD-Ländern als überdurchschnittlich. Die Nachfrage nach gut ausgebildetem und erfahrenem Personal bleibt aber dennoch hoch. Sie dürfte wegen der sich abzeichnenden Zunahme an psychischen Erkrankungen sogar noch zunehmen. Berufliche Perspektiven gibt es nicht nur in Kliniken, sondern auch in ambulanten Einrichtungen sowie bei Beratungsstellen. Besonders gefragt sind derzeit vor allem Fachpersonen aus dem Bereich der psychiatrischen Pflege.
Weiterbildungsmöglichkeiten
Es gibt zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten in der Psychiatrie, die Theorie mit praktischen Erfahrungen verbinden, Wissen vertiefen sowie Spezialkenntnisse in einem bestimmten Fachgebiet vermitteln sollen. Besonders relevant sind dabei:
- EX-IN-Weiterbildung zur Genesungsbegleiterin / zum Genesungsbegleiter: Das Kürzel EX-IN steht für Experienced Involvement. Diese Weiterbildung qualifiziert Menschen mit eigenen psychischen Krisenerfahrungen dazu, andere Betroffene zu unterstützen. Durch die Verbindung von theoretischen Kenntnissen und eigenen praktischen Erfahrungen sollen die Genesungsbegleiterinnen und -begleiter vor allem zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden beitragen. Die Weiterbildung dauert derzeit rund 18 Monate und besteht aus zwölf Modulen.
- Fachexpertin/-experte in Psychiatriepflege mit eidgenössischem Diplom: Diese Weiterbildung richtet sich an bereits diplomierte Fachpersonen im Pflegebereich, die ihre Kenntnisse vertiefen möchten. Das dahinterstehende Ziel ist nicht nur eine optimale Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen und Problemen. Betroffene sollen auch wieder bzw. weiterhin am – beruflichen und sozialen – Alltag teilnehmen können. All notwendigen Qualifikationen lassen sich im Rahmen von Modulen erwerben.
- Weiterbildungen in Geronto- oder Kinderpsychologie: Es existieren oft spezifische Herausforderungen, die mit der psychiatrischen Versorgung von alten und jungen Menschen verbunden sind. Deswegen können je nach Berufsweg für psychiatrische Fachkräfte gezielte Weiterbildungen in den Bereichen Geronto- oder Kinderpsychologie sinnvoll sein. Diese Spezialisierungen sollen eine Verbesserung der psychiatrischen Behandlungsqualität ermöglichen.
Zukünftige Entwicklungen
Es zeichnet sich in den letzten Jahren ein Wandel in der Psychiatrie ab. Statt klinischer Versorgung rücken immer mehr ambulante Behandlungsformen und gemeindenahe Versorgungen in den Fokus. Zudem gewinnt auch in diesem Bereich die Digitalisierung an Relevanz. Ein Beispiel dafür sind E-Mental-Health-Angebote, die besonders in ländlichen Regionen den Zugang zu therapeutischen Leistungen erleichtern. Die Einbindung von Betroffenen – etwa im Rahmen der skizzierten EX-IN-Weiterbildung – sowie interdisziplinäre Kooperationen gewinnen zudem immer weiter an Bedeutung.
Psychiatrie-Ausbildung: Entwicklung der Berufsbilder und der Praxis.
Fazit
Wer im Bereich Psychiatrie eine Ausbildung anstrebt, sollte über Eigenschaften wie Belastbarkeit, Beobachtungsgabe, Empathie, Geduld, Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein verfügen. Es existieren nicht nur zahlreiche Ausbildungs-, sondern auch eine Reihe von Weiterbildungsmöglichkeiten. Wenn etwa Pflegefachmänner oder Pflegefachfrauen in der Psychiatrie eine Ausbildung absolviert haben, können diese damit ihr Wissen spezialisieren oder vertiefen. Der Bedarf an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt ist nicht nur im Bereich der psychiatrischen Pflege hoch und dürfte in nächster Zeit noch zunehmen. Das Berufsfeld eignet sich für engagierte Personen, die eine sinnstiftende Tätigkeit suchen und Mitmenschen dabei unterstützen möchten, psychiatrische Herausforderungen zu meistern.
© ausbildung-tipps.ch, 14.3.2025, Autorenteam